Musik – Texte – Neue Musik

Etwas anderes, als dem Medium Musik zuzuhören, ist es, die Wirkung der Musik direkt zu empfinden.

Beispiel 4 – Die öffentliche Neue Musik

Die Neue Musik versucht das Existentielle abzubilden. Durch die Suche nach direkteren Wirkungen der Musik, die sich aus deren existentieller Substanz ergeben, versucht sie uns während des Hörens direkter, authentischer mit unseren Existenzbedingungen selbst in Resonanz zu bringen. Zu dieser Praxis gehört, dem Hörer Erlebensbedingungen des Musikalischen zur Verfügung zu stellen, die ihn sich selbst erweitert erleben lassen. Das Selbstbewusstsein des Hörers erweitert sich durch die erweiterten Resonanzbedingungen, die an ihn herantreten.

Für die akademische Neue Musik findet man in den Aufführungen in Donaueschingen und anderswo zahlreiche und vielfältige Beispiele. In der nichtakademischen Neuen Musik ist die Noise Music in ihren lautstärkeren Varianten ein besonders deutliches Beispiel für die musikalische Arbeit mit direkter Existenzresonanz.

Eine Kategorie für sich sind musikalische Werke, die starke klingende Seinssignale von jenseits des Behausten herüberklingen lassen. Es sind klangliche Intensitäten des bloßen Existierens fast bar jeder Ernährung des Existentiellen. Konzentration auf Machbarkeit und Überlebenwillen und der Kampf um den unmittelbaren Seinsort machen diese Musiken zu schauerlichen und schwer zu ertragenden Zeugen einer milliardenfachen Unbehaustheit des Menschen heutzutage. In der akademischen Neuen Musik gibt es weniger Beispiele für diese Praxis, in der nichtakademischen Neuen Musik mehr. Diese Musiken sind die Verdichtung des reinen Existierens und des Lebenwollens in einem sonstigen Niemandsland der Lebensnahrung. Ich schreibe dies mit großem Respekt vor ihnen.

Eine emotional positiv erlebte Variante der musikalischen Arbeit mit gesteigerter Existenzresonanz ist in der Clubszene verbreitet. Hier gibt es in einer Offszene der Neuen Musik zahlreiche akademisch ausgebildete Musiker. Mit gesteigerter Existenzresonanz wird hier mehr im Sinne der Aufdeckung von Urkräften gearbeitet. Dies passiert als Teil von Werken oder Sessions, die mitunter ansonsten sinnlich versenkend ein- oder ausgeleitet werden. Es wird mit Industrieklängen, gegenständlichen Geräuschen und elektronisch verfremdeten Geräuschen und Klängen gearbeitet. Im Vordergrund steht die Steigerung von Authentizität durch die sinnliche Verkörperlichung von komplexen Klängen mit vielfältigen Mitteln und in vielfältigen Kontexten.