Musik – Texte – Pythagologkonzept

Das pythagolog-Konzept zur frei improvisierten Neuen Musik

pythagolog
Pythagoras, früher bedeutender Philosoph der griechisch geprägten Antike,
geboren auf der griechischen Insel Samos um 570 v. Chr., gestorben nach 510 v. Chr. im süditalienischen Metapont
log, logo (griechisch) für Wort, Rede, Rechnung, Vernunft, Verhältnis

Vorbemerkungen

Der Name Pythagoras steht für die Verbindung der Konzepte Diesseitigkeit und Jenseitigkeit. In der Musik kann er dafür stehen, das eine aus dem anderen zu begreifen. Über die Einfühlung in das Pythagoreische klären wir sowohl als Musizierender wie als Hörer den Ort in uns, aus dem wir hörend empfinden. Die Empfindung geht über die Wahrnehmung von Attributärem hinaus und führt uns in ein gestalthaft Substantielles hinein. Das Pythagoreische ist das Selbstbild, in dem die Empfindung einer musikalischen Gestalt über die Basisarbeit unseres neurobiologischen Apparates hinaus geht. Eine resonierende, schwingende, klingende musikalische Gestalt ist das Zusammenwirken verschiedener Dimensionen, die sich bei näherem Hinsehen in Einheit befinden. Kraftvolle, nährende Klanggestalten sind ein Spiegel des Einheitscharakters des Seins selbst.

Mit der heutigen Teilchenphysik und Kosmologie haben wir eine Schablone erhalten, die uns klar macht, welche Welten Pythagoras in seiner Philosophie vereint haben mag. Genau kennen wir seine Philosophie allerdings nicht. Selbst sein berühmter Satz ist wahrscheinlich nicht von ihm. Die harmonikalen Studien und das Monochord bringen uns nahe an ihn heran. Nur seine geistige Größe erklären sie nicht.

Für Pythagoras bilden in der Schöpfung das Wissen (also die Potenz zu erschaffen – heute würde man Information sagen) und das Geschaffene eine Einheit – mehr noch: eine klingende Einheit. Genau so begegnen wir im aktuellen physikalischen Weltbild dem was klingt oder anders ausgedrückt, dem was jeweils aus seiner Eigenschwingung heraus mit seiner Umgebung resoniert. Physikalisch existent sein, heißt eine Eigenschwingung zu besitzen, eine Potenz zu sich selbst ständig zu erneuern. Wenn dasjenige, welches physikalisch existiert, dauerhaft existiert, dann besitzt es in dieser Weise eine Ausdehnung in Raum und Zeit. Ein Klang und ein Lebewesen sind jeweils eine wiederholte Selbstvergewisserung in einem Existenzmedium, d.h. in einem Schwingungsmedium. Das Schwingungsmedium ist die Raumzeit. Die Selbstvergewisserung findet sowohl in Raum und Zeit statt.

Was bedeutet dann in diesem Zusammenhang die Frequenz, also die Wiederholung der Amplitude pro Sekunde? Und scheint es eine Existenz vor der Eigenresonanz zu geben, wie es die Quantenphysik andeutet? Pythagoras scheint bei aller geistigen Größe und Autorität ein bodenständiger Mann gewesen zu sein. Es ging ihm gerade darum, diesseitiges und jenseitiges in Einklang zu bringen. Deswegen auch sein Interesse an Politik.

Kurz ist die Aufmerksamkeit. Wenn sie entschwindet existiert sie jedoch weiter – bis sie erneut in Erscheinung tritt. Die Aufmerksamkeit ist ein Mitschwingen. Gewöhnlicher Weise geschieht dies sehr vielfältig in unserem Leben. Das eigene Leben als eine große Schwingungsgestalt zu erfassen, die in einer maximalen Eigenfrequenz optimal Diesseitigkeit und Jenseitigkeit in Einklang bringt, das war vielleicht das Ideal, um welches es in der Schule des Pythagoras ging.

Hörhilfe:

Während in den Dromos-Stücken die Raum- und Zeit-Dimension und die wechselnden Polaritäten deutlich gezeichnet sind, sollen diese in den Pythagolog-Stücken in immer wieder annähernd einer Gestalt aufgehen. Raum und Zeit und Dies- wie Jenseitigkeit sollen sich prozesshaft wiederholt im Erleben verdichten. Dies erscheint jeweils als eine größtmögliche Intensität. Ein gelegentlicher Anflug von Ironie, der die Verdichtungen jeweils wieder durchbricht kommt nicht von ungefähr. Bei der Umsetzung seiner politischen Idealvorstellungen erwies sich auch für Pythagoras die Raumzeit als ein schwieriges Terrain, wenn sie denn mit Menschen bevölkert ist.