Musik – Texte – Willenstätigkeit

Die Unterscheidung von „Wille“ und „Willenstätigkeit“ ist eine wichtige Voraussetzung für das Verständnis von Kreativität.

Ein extremes Verständnis vom Willen ist „der eiserne Wille“. Hier wird der wesentliche Unterschied zur Willenstätigkeit besonders deutlich. Der Unterschied liegt in der Bewusstheit und im Zwang. Der eiserne Wille setzt etwas mit Zwang und Überwindungskraft gegen Widerstände durch. Die Willenstätigkeit geschieht dagegen überwiegend unbewusst. Mit Willenstätigkeit ist die Funktion des gesamten Apparates gemeint, der zur greifbaren und sichtbaren und hörbaren Manifestation einer geistigen Vorstellung führt. Dies ist der Bereich des konkret Körperlichen.
Jeder Musiker kennt diese Gegensätzlichkeit: Zuerst die Zeit des „eisernen Willens“, in der wir uns das konkrete Handwerkszeug erarbeiten, und dann die Zeit, in der alles automatisch geschieht. Ein ausgebildeter Musiker macht sich schließlich während des Musizierens ebensowenig Gedanken zur Umsetzung auf seinem Instrument, wie ein Redner beim Sprechen über das Sprechen. 99,9 Prozent der Vorgänge der konkreten Umsetzung von geistigen Inhalten sind automatisiert. Die verbleibenden 0,1 Prozent erscheinen uns aber als die Wesentlichen, weil sie uns in unserem Ichbewusstsein so nahe sind. Das aber, was konkret zum Ergebnis einer inspirierten Kreativität führt, dasjenige, was man anfassen, anschauen oder hören kann, ist das Ergebnis von Myriaden von unbewussten Vorgängen in einem Amalgam der glücklichen Einheit.

Was wir freien Willen nennen, ist das kleine bewusste Sahnehäubchen auf dem riesengroßen Geschenk von selbstverständlich erlebter Gesundheit und Lebensglück. Der Wille mag zwar eine Willensbekundung des Geistes sein, wenn er aber zur Tat wird, dann setzt er einen umfassenden und tiefen Vorgang in Gang, der dem bewussten Geist zuarbeitet. In dieser Zuarbeit liegt eine Intelligenz für sich, weil der, von uns gar nicht beachtete und noch weniger verstandene, Apparat der Willenstätigkeit ständig ein situationsgerechtes Potential an Möglichkeiten zur Verfügung stellt. Wenn diese, sich automatisch einstellende, Einheit von Geist und Willenstätigkeit gestört ist, benötigen wir in der Tat einen eisernen Willen, um diese Krise zu durchstehen.

Es ist nicht der Geist, sondern die Willenstätigkeit, die Muskeln aus Fleisch und Blut anspannt und Know How hat. Der Geist hat Absichten. Die Umsetzung der Absichten des Geistes ist eine Willenstätigkeit mit einer eigenen Sphäre des Potentials und des Know How. Wille und Willenstätigkeit sind also zwei verschiedene Sphären. In der freien musikalischen Improvisation können wir erleben, wie diese Sphären zu einer Einheit verschmelzen. Die kreative Inspiration ist Teil dieser Fügung zur glücklichen Einheit von beiden. Der eiserne Wille dagegen zwingt Geist und Willenstätigkeit fest zusammen. In dieser festen Fügung ist nur wenig Raum für Inspiration.

Musik – Texte – Selbstermächtigung

Der Fluss in der freien Improvisation ist das zentrale der Versöhnung von Geist und Willenstätigkeit. Fast alles daran ist unbewusst, aber gerade deshalb entsteht ein Höchstmaß an Selbstermächtigung. Wie kommt das?

Sowohl Geistes- wie Willenstätigkeit sind zum größten Teil unbewusst. Die Qualität der Bewusstheit entsteht in dem gleichermaßen physischen wie geistigen Selbst. Das Selbst ist ein Meer von Bedingungen. Wenn wir unsere Bewusstheit, die wir als Ich erleben, als Klang betrachten, dann ist unser Selbst der Klangkörper, der diesen Klang erzeugt. Unser Selbst ist derjenige Teil der Welt, zu dem unser vollbewusstes Ich sagen würde, „das bin ich selbst“. – Unser Ich ist jedoch nicht vollbewusst -. Unser Bewusstsein entsteht also im Selbst, und dabei sind Geist und Körper gleichermaßen beteiligt.

Wie kommt es nun zur Selbstermächtigung in der freien musikalischen Improvisation?
Offensichtlich einfach so!
Von unserem Bewusstsein aus passiert nämlich gar nicht so viel, jedoch nur quantitativ betrachtet. Je weniger wir von den Myriaden von Vorgängen bemerken, die unsere freie Improvisation erst möglich machen, umso mehr sind wir wir selbst und umso ermächtigter fühlt sich unser Selbst an. Eigentlich paradox. Aber die Qualität des Bewusstseins ist dabei stark angehoben! Wir fühlen uns inspiriert, und wenn wir mit anderen zusammen musizieren, dann fühlen wir uns eng verbunden. Entscheidend ist also die Inspiration. Wenn wir uns inspiriert fühlen brauchen wir keine Detailkontrolle. Die Inspiration als solche stattet uns mit der Selbstermächtigung aus!
Im Fluss sein, sich inspiriert und mit anderen Menschen verbunden fühlen gehört offensichtlich zusammen. Dabei fühlen wir uns besonders frei und selbstermächtigt. Dass wir unsere Freiheit dem Fluss und der Inspiration verdanken schmälert nicht unser Glück, sondern gehört dazu!

Musik – Texte – Geist und Wille

Das aktive freie Improvisieren versöhnt Geist und Wille miteinander.

Die Grenze zwischen Geist und Wille ist dort wo der Geist Mittel aufwenden muss, um seine Visionen zu verwirklichen. Im Geiste verändern wir vorgestellte Bilder, Klänge und Visionen mühelos. Wenn wir unsere geistigen Visionen substantiell machen, tuen wir dies mit substantiellen Mitteln. Zwischen Geist und vollzogener Realität befindet sich ein Apparat der Umsetzung, ein Apparat der Willenstätigkeit. Der Apparat der Willenstätigkeit hat sein eigenes Recht, nämlich das der Machbarkeit und des Existenzerhalts. Dafür hat er einen Instinkt. Gleichzeitig ist er auf die Machbarkeit und den Existenzerhalt gut vorbereitet. In ihm haben sich Raum und Zeit und die Erfahrungen darin als ein verkörpertes Gedächtnis abgebildet.

Geist und Willenstätigkeit bringen die musikalischen Formen hervor. In der freien musikalischen Improvisation sind sie miteinander versöhnt oder es entsteht ein Prozess der Versöhnung.

Was meine ich mit Versöhnung?
Wenn sich die Musik gut anfühlt, fühlt sich auch das Leben gut an. Man kann natürlich bewusst auch Musik schaffen, die sich schlecht anfühlt. Dafür gibt es gerade in der Neuen Musik viele Beispiele. Der überraschte Hörer sagt sich dann: „Hier fühle ich mich nicht zuhause.“ Die Musik, in der wir uns andererseits rundum zuhause fühlen, besitzt immer auch einen Nahrungszufluss, sie erneuert sich, sie stellt unserem Bewusstsein den belebenden Austausch mit dem Unbewussten zur Verfügung. Musik, die diese Eigenschaften nicht besitzt ist ein schaler Kokon, eine Wüste. Frei improvisierte Musik kann den Fluss hin zu einem guten Lebensgefühl öffnen, eben weil Geist und Willenstätigkeit in diesem Fluss versöhnt sind. Ein Fliessen, das nicht aufhört, ist, eben weil es nicht aufhört, immer auch ein Nahrungszufluss, und ist immer auch eine Erneuerung der Lebendigkeit.

Musik – Texte – Eucharistie

Musik ist die Eucharistiefeier mit den Elementarkräften.

Beim Musizieren bringen wir nicht nur eine Bedeutungsebene zum Klingen, sondern alles, was in diesem Augenblick klingt. Alles, was das Klingen der Musik überhaupt erst möglich macht, ist präsent, wenn die Musik erklingt.

Wenn wir die Musik als Feier verstehen, dann feiern wir mit ihr das Klingen in der Welt. Gleichzeitig feiern wir die ganze Welt als Klangkörper. Denn, wenn wir genau sind, feiern wir mit der Musik nicht nur das Musikinstrument oder die menschliche Stimme, sondern auch die aufbauenden Strukturen, die diese erst möglich machen.

Die aufbauenden Strukturen sind Elementarkräfte, die uns ein bewusstes, verstehendes Erleben möglich machen. Sie erschaffen den Weltkörper, der wir gemeinsam sind und sie sind gleichzeitig Teil dieses Körpers. So wie wir menschlichen Individuen Teil dieses Weltkörpers sind und ihn gleichzeitig mit erschaffen.

Musik hat mit Inspiration zu tun und sie verbindet Menschen miteinander. Musik ist wirksam. Das hat mit ihrer Inspiriertheit und mit ihrer Verbindung schaffenden Wirkung zu tun. Alles dies passiert im Klang, und alles dies passiert im Klangkörper.

Musik – Texte – Neue Musik

Etwas anderes, als dem Medium Musik zuzuhören, ist es, die Wirkung der Musik direkt zu empfinden.

Beispiel 4 – Die öffentliche Neue Musik

Die Neue Musik versucht das Existentielle abzubilden. Durch die Suche nach direkteren Wirkungen der Musik, die sich aus deren existentieller Substanz ergeben, versucht sie uns während des Hörens direkter, authentischer mit unseren Existenzbedingungen selbst in Resonanz zu bringen. Zu dieser Praxis gehört, dem Hörer Erlebensbedingungen des Musikalischen zur Verfügung zu stellen, die ihn sich selbst erweitert erleben lassen. Das Selbstbewusstsein des Hörers erweitert sich durch die erweiterten Resonanzbedingungen, die an ihn herantreten.

Für die akademische Neue Musik findet man in den Aufführungen in Donaueschingen und anderswo zahlreiche und vielfältige Beispiele. In der nichtakademischen Neuen Musik ist die Noise Music in ihren lautstärkeren Varianten ein besonders deutliches Beispiel für die musikalische Arbeit mit direkter Existenzresonanz.

Eine Kategorie für sich sind musikalische Werke, die starke klingende Seinssignale von jenseits des Behausten herüberklingen lassen. Es sind klangliche Intensitäten des bloßen Existierens fast bar jeder Ernährung des Existentiellen. Konzentration auf Machbarkeit und Überlebenwillen und der Kampf um den unmittelbaren Seinsort machen diese Musiken zu schauerlichen und schwer zu ertragenden Zeugen einer milliardenfachen Unbehaustheit des Menschen heutzutage. In der akademischen Neuen Musik gibt es weniger Beispiele für diese Praxis, in der nichtakademischen Neuen Musik mehr. Diese Musiken sind die Verdichtung des reinen Existierens und des Lebenwollens in einem sonstigen Niemandsland der Lebensnahrung. Ich schreibe dies mit großem Respekt vor ihnen.

Eine emotional positiv erlebte Variante der musikalischen Arbeit mit gesteigerter Existenzresonanz ist in der Clubszene verbreitet. Hier gibt es in einer Offszene der Neuen Musik zahlreiche akademisch ausgebildete Musiker. Mit gesteigerter Existenzresonanz wird hier mehr im Sinne der Aufdeckung von Urkräften gearbeitet. Dies passiert als Teil von Werken oder Sessions, die mitunter ansonsten sinnlich versenkend ein- oder ausgeleitet werden. Es wird mit Industrieklängen, gegenständlichen Geräuschen und elektronisch verfremdeten Geräuschen und Klängen gearbeitet. Im Vordergrund steht die Steigerung von Authentizität durch die sinnliche Verkörperlichung von komplexen Klängen mit vielfältigen Mitteln und in vielfältigen Kontexten.

Musik – Texte – Tanzbewegungen

Etwas anderes, als dem Medium Musik zuzuhören, ist es, die Wirkung der Musik direkt zu empfinden.

Beispiel 3 – Spontane Tanzbewegungen als Abbildung musikalischer Elemente

Die meisten spontanen Tänzer reagieren ähnlich, wenn sie sich in einem Fluss aus Bewegungen mit der Musik verbunden fühlen.

Auf rhythmisch betonte Passagen reagieren spontane Tänzer mit rhythmischen Bewegungen auf der Stelle. Dem Puls des Ortes des Lebens wird auf der Stelle, auf der man tanzt Ausdruck gegeben.

Melodisch betonte Passagen veranlassen spontane Tänzer zu Bewegungen um Symmetriezentren herum. Rechts-links, oben-unten werden vielfältig miteinander verknüpft und variiert. Oft sind es fließende Bewegungen durch den Körper von einem Ort des Körpers zu einem anderen. Kopf, Brust und Basis sowie Kopf- und Fußhaltungen im Verhältnis zum Körperzentrum stellen vielfältige emotionale Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung.

Ausgehaltene, nachklingende Akkorde fordern den spontanen Tänzer auf, sich durch den Raum zu bewegen. Meist in Kreisbewegungen, oft mit leicht ausgebreiteten Armen.

Die musikalische Qualität der Inspiriertheit veranlasst den Tänzer, sich zu offenbaren.
Wenn durch die inspirierte Verdichtung der musikalischen Elemente, der inneren Beschaffenheit unseres Lebens besonders intensiv Ausdruck gegeben wird, dann ist dies für die meisten spontanen Tänzer die Ermächtigung aus sich selbst heraus zu treten.

Musik – Texte – Veränderungsdynamik

Etwas anderes, als dem Medium Musik zuzuhören, ist es, die Wirkung der Musik direkt zu empfinden.

Beispiel 2 – Veränderungsdynamik – Teilbewegungen im inneren Klangraum ergeben vervollständigende Folgebewegungen bis hin zu einer Homöosthase

Was man beginnt, kann nicht einfach ruhen gelassen werden. Es muss abgeschlossen werden. Die meisten Menschen haben dann ein besseres Gefühl. Mit Klangverläufen um unser Körperzentrum herum ist es ähnlich. Auch hier gilt das Gestaltgesetz. Gestalten wollen geschlossen werden. Wir erleben Musik nicht nur im Kopf, sondern auch im Körper, umso mehr, wenn wir singen oder ein Musikinstrument spielen. Die Klangerzeugung und das Klangerleben sind dann auch von einer intensiven Körpererfahrung begleitet. Dass diese Körpererfahrung auch musikalische Informationen enthält ist eine Erkenntnis, die für die meisten Menschen aber erst musikpädagogisch erweckt werden muss.
Wer beim Tanzen auf den rechten Fuß hüpft, wird dies auch bald auf den linken tun. Wer sich nach vorne bewegt, wird dies auch bald nach hinten tun. Symmetrien sind die einfachsten Gestaltschlüsse. Diese gibt es auch im Körper, im erlebten musikalischen Resonanzverlauf. Aus der Konzentration auf diese Verläufe kann sich, mehr noch als aus der gedanklichen Inspiration, in der freien musikalischen Improvisation die gestaltete Musik ergeben.

Musik – Texte – Klangraum

Etwas anderes, als dem Medium Musik zuzuhören, ist es, die Wirkung der Musik direkt zu empfinden.

Beispiel 1 – Klangraum – Die Kongruenz zwischen der Empfindung von Düften und Klängen

Bei der sinnlichen Konzentration auf Düfte wird das gleichzeitige Nebeneinander und Miteinander, die Kongruenz der Empfindung von Düften und Klängen offenbar. Wir kennen die vielfältigen Synästhesien. Richard Wagner besaß ein ausgeprägtes synästhetisches Erleben der Wirkung von Klängen und Farben. Dies sind Sonderbegabungen. Jeder Mensch kann aber dem Klangraum von Düften nachspüren. Die meisten Parfüms setzen sich aus Kopf-, Herz- und Basisnote zusammen. Die Duftnoten beschreiben den Ort der Resonanz im Körper. Wenn wir einen Duft mit einer Kopfnote, Grapefruit z.B., einatmen, spüren wir diesen Duft unmittelbar in den oberen Atemwegen. Der Duft füllt unseren Körper spezifisch aus. Der Duft bekommt für uns eine Gestalt. Die bekommt er durch unseren Körper. Die Duftgestalt wird schnell zu einer Klanggestalt, wenn wir den Klangraum unseres Körpers klingen lassen, den der Duft gleichzeitig ausfüllt. Dies geht gesanglich. Wir singen in diesen Klangraum hinein. Das Erschaffen von Musik geschieht also auch über vorgestellte Inhalte als Alternative zur kodierten Musikerfahrung. Es existiert eine reichhaltige Vielfalt von weiteren Möglichkeiten.

Musik – Texte – Physik

Neue Musik und Neue Physik

Was ist der zentrale Gehalt der Musik? Ihr aufnehmender Charakter! Alles was klingt, klingt aus einer Substanz heraus. Klang ist per se etwas Seiendes. Aber dieses per se Seiende des Klangs ist immer wieder neu in jedem Augenblick. Der Klang und damit die Musik ist etwas oszillierendes, eine Gestalt, die sich in ihrer Oszillation mit ihrem eigenen Gehalt aufpumpt. Der Klang hat deswegen eine Wirkung auf uns, weil er etwas Aufnehmendes ist. Dabei klingen immer die Tiefenstrukturen mit, die den Klang physikalisch erst möglich machen. Die Physik des Klangs reicht also über den Fokus, den er physiologisch in uns abbildet weit hinaus.

Wenn wir Musik sagen, meinen wir natürlich sehr viel mehr als nur Klang. Der subtile Umgang mit etwas Klingendem im raum-zeitlichen Gefüge erzeugt eine Wirkung auf uns als menschliche Hörer. Das nennen wir Musik. Viel von dieser Wirkung kann eine psychologische Wirkung sein, die gar nicht vom Klingenden, sondern von der Weglassung herrührt. Musik ist das, was man hört, aber letztlich ist ihre Wirkung entscheidend, die auch aus dem herrühren kann, was man nicht hört.

Die Weglassung alleine könnte jedoch keine Musik sein, deswegen bleibt das Zentrale der Musik das, was klingt, und das was klingt ist etwas Aufnehmendes. Der Klang nimmt seinen eigenen Gehalt auf. Dieser Gehalt ist eine Schwingungsstruktur, die sich ständig in einem Übergangszustand befindet, und der Übergang führt immer wieder zu sich selber. Eine im platonschen Sinne scheinbar ideelle Gestalt, die deshalb ist, weil sie eine Wirkung auf uns hat und weil sie eine stabile Substanz jenseits des Klangs hat. Der Klang ist die Wirkung der Substanz, die der Klang aufnimmt, und diese Substanz ist nicht das, was wir hören, sondern das Unhörbare, mit dem uns der Klang verbindet. Man kann deshalb sagen, dass ein Klangkörper, ein Musikinstrument zum Beispiel, ständig etwas Aufnehmendes abgibt, das uns mit etwas verbindet, welches für uns sonst mit unseren Sinnen nicht aufnehmbar wäre. Klang und Musik sind die Substanz der Aufnahme, mit ihnen nehmen wir die Aufnahme auf!

Im Klang begegnet uns eine Grundstruktur des Aufbaus der Materie. Dies ist besonders in der stehenden Welle der Fall, wie sie als Longitudinalwelle in Blasinstrumenten oder als Vokalklang im menschlichen Körper auftritt. Die stehende Welle erhält sich selbst. Natürlich bildet sie die Eigenschaften des Trägermediums, der Luft und des Klangkörpers ab, aber in jedem Klang steckt mehr als das. In Klängen steckt ein eigenes Erhaltungsprinzip. Sie schaffen sich Raum zu sich selber. Die Kräfte des Klangs berühren und stützen sich und schaffen so einen Raum im Inneren des Klangs, der scheinbar unabhängig vom Klangraum außen ist. Im inneren des Klangs spiegelt sich die Substanz des Klangs zu sich selber und erschafft sich ständig neu. Mehr als das: Je exakter die Eigenschwingung sich zu sich selber spiegelt, umso enthüllter klingt die Detailstruktur des Klangs, die Obertonstruktur. Jede neu hervorklingende Obertonstufe klingt aus der Verstärkung einer solchen inneren Klangstruktur hervor. Obertöne klingen aus dem Inneren des Klangs. Beim Gesang ist dies besonders deutlich erlebbar.

Was hat dies alles mit moderner Physik zu tun?
Die moderne Physik gibt sich mit nichts weniger zufrieden als mit der Modellierung der Manifestation des Materiellen selbst. Wie entsteht etwas Materielles, wenn es noch nichts Materielles gibt? Worin soll die materielle Schwingung schwingen, wenn es noch kein Schwingungsmedium gibt? War zuerst die Frequenz oder war zuerst das Medium, in dem die Frequenz schwingen konnte? Henne oder Ei, was war zuerst? Das Ei scheint zugleich Henne gewesen zu sein und umgekehrt. Es scheint einen Moment gegeben zu haben, in dem etwas Nichtmaterielles zu sich selbst resonierte und so einen definierten Schwingungsraum mit definierten Eigenschaften hervorbrachte. Hervorbrachte in dem Sinne, dass es etwas aufdeckte, was schon da war. Aufdeckte, in dem Sinne, dass es etwas aufnahm und immer wieder neu aufnahm ohne Unterbrechung und dadurch einer Eigenschaft, vielen Eigenschaften Manifestation verlieh.

Musik – Texte – Intensitätssteigerung

Eine Beschreibung der Intensitätssteigerung in der freien Improvisation auf Blasinstrumenten.

In der frei improvisierten Musik, im Freejazz besonders, gibt es häufig Blasinstrumentalisten, die sich in eine zunehmende, fast rasende Intensität hineinspielen.

Ich kenne das aus eigener Erfahrung beim Querflöten- und beim Saxofonspiel. Mein Erleben dabei ist folgendes:

Das improvisierende Spiel schafft ein Verschmelzen von Erleben, Wollen und vollziehendem Tun. Daraus ergibt sich die Öffnung hin zu einer Intensitätsebene, deren Reiz ein sowohl gesteigertes wie urteilsfreies Seinserleben ist.

Für die Erklärung der weiteren Intensitätssteigerung ist die Metapher eines Memoryspiels hilfreich: Wenn man das Double zu einer Karte entdeckt hat, schafft dies eine besondere Freude, eine gesteigerte Seinsintensität. Woran liegt das? Man hat etwas aus einem Potential heraus in die Realität gebracht. Das ist auch die Belohnung des Musikers, ein Potential in eine Wirksamkeit zu bringen. Ich schaffe Öffnungen hin zu einer Intensität, das heißt, ich lasse das Potential wirken und wünsche mir in dem Moment mehr davon. Das vollste Potential des musikalischen Spiels ist die fast gleichzeitige Aufdeckung des Potentials, entsprechend des Vergleiches mit dem Memoryspiel. Das Potential zum Wirken zu bringen heißt, es aufzudecken, Öffnungen dahin zu schaffen.

Zum intensiven Musizieren kann man sagen: Je mehr Potential zeitlich im Erleben gleichzeitig zum Wirken gebracht wird, umso intensiver ist der Kontakt mit einer wirkkräftigen Authentizität.