Gewordenes und Gemachtes als zwei Formenkreise, die sich auf der Erde gegenüber stehen

Einleitung


„Gewordenes und Gemachtes“, das ist vereinfachend die Gegenüberstellung der Natur gegen den Rest; das GEWORDENE die Natur, der Rest das, was die Menschen daraus GEMACHT haben. In dieser Gegenüberstellung sind alle aktuellen Aufgaben enthalten, deren Bewältigung wir uns als globale Gemeinschaft im Moment vornehmen.

Wenn wir als Menschen unsere Welt beschreiben, beschreiben wir vermehrt Problemfelder, die um unsere natürlichen Ressourcen kreisen. Die entsprechenden Begriffe sind Teil von Diskursen, in denen es um gesamtmenschliche Existenzprobleme geht. Andererseits schwärmen wir glücklich über die Geschenke der Natur um uns. Die Natur ist etwas Besonderes auch über alle Ambivalenzen und Begriffsunklarheiten hinweg. Sie ist als Heil- und Sehnsuchtsort für uns mit einer bestimmten Qualität verbunden, die uns unmittelbar anspricht und gewiss erscheint. Was die Natur aber eigentlich ist, wo sie anfängt und wo sie aufhört, ist weniger klar zu benennen. Schon der Begriff „Natur“ wurde und wird sehr verschieden verwendet. Außerdem ist die Natur integraler Bestandteil unserer Technologien geworden und als solche nur noch schwer zu identifizieren. Hinzu kommt, dass wir uns vor ihr schützen. Wir bringen sie unter Kontrolle, dort wo sie zur intimen Existenzzone des Menschen gehört, in Stadt, Land, Garten, Fluss, Küste und Bergen. Alles das hat unser Verhältnis zur „Natur“, aber auch die Natur selbst sehr verändert.

Wo stehen wir mit unserer selbsterschaffenen Welt den natürlichen Ressourcen gegenüber?

Hier wird vorgeschlagen, die Standortbestimmung entlang des Gegensatzpaars „geworden“ – „gemacht“ vorzunehmen. Die aus sich selbst hervorgegangenen natürlichen Ressourcen werden als das GEWORDENE, die menschengemachte Welt als das GEMACHTE bezeichnet.

Das Leben der Menschen auf diesem Planeten ist das der einzelnen Personen, der sozialen und politischen Gruppierungen und vor allem der Wirtschaftsakteure. In vielfachen Rollen- und Interessenüberschneidungen hat sich eine Dichte von Dynamiken entwickelt, die kaum noch zu entwirren, geschweige denn zu lenken ist. Diejenigen, die das versuchen oder daran teilhaben wollen, geben vermehrt hohe Wertvorstellungen in Lösungsansätze und hoffen, dass die Qualität, die sie damit heraufbeschwören, sich manifestieren würde. Dabei wird mit Visionen gearbeitet, die das Leben Einzelner und von ganzen Gruppen rückanbinden an Vorstellungen einer grundsätzlichen Lebensqualität. Gleichzeitig herrscht die Meinung vor, dass ein Zurück nicht mehr möglich ist.

Hier scheint es angebracht, den Blick zu schärfen. Im Raum stehen viele Fragen. Was ist eine grundsätzliche Lebensqualität, die uns als Menschen zur Verfügung stünde? Wo käme diese eigentlich her? Und haben die Menschen diese grundsätzliche Lebensqualität mit ihrer Präsenz auf diesem Planeten eventuell schon verspielt?

Doch dies sind alles akademische und visionäre, zugleich auch religiöse Fragen, die im Existenzkampf der Menschen tatsächlich immer weniger faktische Kraft besitzen. Denn die Existenz der meisten Menschen vollzieht sich jenseits ideeller Leitlinien an dem Ort, an dem es schlicht irgendwie immer weiter gehen muss,  mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen oder so zu stehen scheinen.

In dieser Weise schwebt unsere Existenz über zwei Kontinenten. Es ist einmal der Kontinent der gewordenen und gewachsenen Formen dieses Planeten, die existierten bevor der Mensch auftrat und die immer noch maßgeblich unser Leben bestimmen und erhalten. Und es ist zum anderen der dicht bebaute und befüllte Kontinent der vom Menschen geschaffenen Dinge. Wir haben technologisch Spuren auf diesem Planeten hinterlassen und ihn befüllt mit Dingen, deren wir eigentlich nicht Herr und Frau sind. Sie entsprangen unserem Wunsch nach Herrschaft, begleiteten uns eine Zeit lang als Instrumente unserer Selbstermächtigung und entziehen sich uns nun zusehends. Müll, Gift, selbstgemachtes Klima und Krankheiten haben wir nicht wirklich unter Kontrolle.

Die Plattentektonik dieser zwei Kontinente unserer Existenz hat nun dramatische Veränderungen hervorgebracht. Der Kontinent des vom Menschen Gemachten hat sich über den Kontinent des Gewordenen hinweg geschoben. Es ist zu vielfältigen Verwerfungen gekommen, zur Bildung von Gebirgen und Sonderzonen und zu isolierten Naturreservaten.

Das Gewordene kann nun in ausgewiesenen Zonen besichtigt werden. Parallel zu dieser Entwicklung ist unser Bewusstsein nicht mehr im Gewordenen verankert, weder im Empfinden der Herkunft, noch im Miteinander mit dem Gewordenen und schon gar nicht beim Begreifen unserer Welt. Dabei ist der Zugriff der Technologie auf das Gewordene nicht nur selbstverständlich, sondern notwendig geworden. Es geht hier um eine Art Alternativlosigkeit, die uns selbst, als gewordene Wesen, längst vereinnahmt und uns in unserem Denken ganz bestimmt.