Gewordenes und Gemachtes – Menschliche Existenz als Gewordenes im Gemachten

Gewordenes und Gemachtes als zwei Formenkreise, die sich auf der Erde gegenüber stehen

Menschliche Existenz als Gewordenes im Gemachten

Wir leben in einer planetaren Umgebung, in der das Gemachte das Gewordene zunehmend verdrängt. Dass man dies als planetarische Tatsache ausdrücken kann, ist relativ neu. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich der Prozess verstetigt und gilt seit geraumer Zeit in jeder Weltgegend als unumkehrbar.

Die Versiegelung und Verstädterung der Erde, die zahlreichen erheblichen Umweltbelastungen und das Artensterben sind Indikatoren, die am deutlichsten das neue Bild des Lebens auf diesem Planeten bestimmen.

So erleben viele Menschen das Gewordene nur inselhaft oder unklar. Selbst auf dem Land ist es nicht so präsent, wie es den Anschein hat. Erstens hat sich auf das Gewordene ein Schleier gelegt. Es sind Microplastik, Quecksilber, Weichmacher, Pestizide und Klimagase, die praktisch überall als menschengemacht nachweisbar sind. Zweitens sind die Landschaften, in denen Menschen leben, auch auf dem Land, weitgehend vom Menschengemachten geprägt. Und drittens leben die meisten westlichen Menschen, egal ob sie in der Stadt oder auf dem Land leben, unvermeidlich in einer undurchdringlichen Blase des Gemachten. Selbst wenn hinter ihrem Haus ein Garten liegt, betreten sie das Gewordene fest eingefügt in das Gemachte, das sie immer mit sich nehmen. Das ist auch in Urlauben und Ausflügen und selbst bei wissenschaftlichen Projekten und Expeditionen der Fall. Der mentale Ort, an dem die meisten Menschen auf der Erde leben, ist das Gemachte.

Wenn wir feststellen, dass das Gemachte das Gewordene verdrängt, betrifft dies deshalb nicht nur die Biosphäre. Es betrifft auf genauso dramatische Weise unser Bewusstsein, unsere Art, wir selber zu sein, unsere Personhaftigkeit. Darum soll es im Folgenden gehen.

 

Unsere Selbstwirksamkeit braucht ein Terrain. Dieses ist eben nicht mehr das Gewordene, sondern fast vollständig das Gemachte. Daran ändern auch Ausflüge und Sport in der Natur in Funktionskleidung nichts. Wenn es darum geht, einen Raum zu erhalten, in dem wir sein können, entscheiden wir uns seit langem immer wieder für das Gemachte.

Das war einmal anders. Aber man muss bis in die Altsteinzeit, in die Jäger und Sammler-Gesellschaften zurückgehen. Dort war die Existenz des Homo Sapiens wahrscheinlich noch annähernd eine gewordene Existenz. Sie war, selber Gewordenes, wohl fast vollständig in kongruenter Resonanz mit dem Gewordenen. Auf den Neandertaler und die Frühmenschenarten, z.B. den Homo Erectus, trifft dies umso mehr zu.

Seitdem sind 12-14 Tausend Jahre vergangen. Aber erst das Ende des zweiten Weltkriegs bildet eine globale Zäsur. Lebten bis dahin noch sehr verbreitet menschliche Gesellschaften notwendigerweise und aus freier Entscheidung als gewordene Intelligenz in Resonanz mit dem Gewordenen, beginnt hier die alternativlose Ausformung einer persönlichen Selbstwirksamkeit innerhalb des Gemachten. Heute lebt die planetare Menschheit gemeinsam im Gemachten ohne Umkehrmöglichkeit.

Deshalb bedeutet heute, Mensch sein, selbstverständlich weiterhin Gewordenes zu sein, sowohl in der physischen, psychischen und kognitiv-mentalen Grundausstattung. Das weitere Werden findet jedoch im Rahmen und geprägt vom Gemachten statt. Sowohl das, was uns nährt, wie das, was uns die Werkbank für unser Menschsein zur Verfügung stellt, ist das Gemachte. Wir existieren, weil wir im Gemachten leben.

Unsere physisch-psychische, mental-kognitive Ausstattung ist sehr flexibel in seiner Gesamtheit, unser Bewusstsein darin ist jedoch sehr eingeschränkt. Es ist nur ein kleiner Fokus, dieser besondere Jetztzeitpunkt, der unsere bewusst erlebte Gegenwart ist. Das Terrain unserer Selbstwirksamkeit geht darüber weit hinaus. Je mehr Hebel und zum Teil sogar verselbständigte Werkzeuge wir im Gemachten entwickeln, umso weiter ist dieses Terrain.

Aufgrund der Eigenschaften unseres wachen Ich-Bewusstseins, eben dieses kleinen Fokusses im großen Terrain der Selbstwirksamkeit, sind wir quasi auch organismisch im Gemachten eingebunden. Indem wir unsere Gegenwart erleben, erleben wir uns im Gemachten. Das, was wir sind, kommt aus dem Gemachten und ist in Gemeinschaft mit dem Gemachten. Deswegen sind wir mit dem Gemachten identifiziert. Diese Identifizierung ist keine aus der Distanz, sondern sie findet aus der Transparenz heraus statt. Sie ist immer schon vor dem Bewusstsein da. Jedes Mal, wenn unser Tagesbewusstsein erneut erwacht, ist die Identifikation mit dem Gemachten, als „das, was wir sind“, schon im wachen Tages-Ich-Bewusstsein enthalten.

Für das Tagesbewusstsein bedeutet Leben vorrangig, dass es immer weiter geht. Das ist seine zentrale Struktur in den Dimensionen von Raum und Zeit. Das wache, sich selbst bewusste Ich erlebt sich in einem Raum, in dem es ein Woher, ein Mit und ein Als gibt. Das Bewusstsein einer Person in seinem wachen Jetzt-Empfinden ist gegründet darauf, dass es eine individuelle Herkunft und ein Miteinander hat und dass sein Leben sich als dies alles vollzieht.

Dabei zählt in erster Linie das, was weitergeht und manchmal auch nur, dass es weitergeht. In dieser Herkunfts-, Miteinander- und Als-Struktur des Tagesbewusstseins wird entschieden und gehandelt. Dies ist ein sehr kleiner Fokus.

In diesem schmalen Fokus, in dem wir das Jetzt erleben, ist das Gemachte schon seit geraumer Zeit und bei immer mehr Menschen auf diese Weise organismisch eingebunden als „das, was wir sind“. Die Menschheit kann sich global gar nicht mehr ohne das Gemachte erleben. Aufgrund der Eigenschaften unseres wachen Ich-Bewusstseins sind wir mit dem Gemachten verschmolzen. Wir sind das Gemachte. Damit hat überindividuell eine graduell zunehmende Verschmelzung des Gewordenen mit dem Gemachten begonnen. Sie findet in jedem einzelnen Menschen, aber verbreitet auf planetarer Ebene statt. Es ist eine organismisch stattfindende Verschmelzung. Mit einer wichtigen Einschränkung: Diese Verschmelzung oder zumindest Verschränkung, findet nur auf der Bewusstseinsebene im Erleben statt. Tatsächlich wird der Graben zwischen uns und dem Gewordenen immer größer. Damit ist das Bewusstsein der Ort, an dem sich jeder Einzelne immer weniger, wenn überhaupt, im Gewordenen, seiner eigentlichen Heimat, beheimatet fühlt und sich, wenn es darauf ankommt, für das Gemachte und damit tendenziell gegen das Gewordene entscheidet.

Gewordenes und Gemachtes – Nachwort

Gewordenes und Gemachtes als zwei Formenkreise, die sich auf der Erde gegenüber stehen

Nachwort

Wir haben als Zeitgenossen auf vielen Themenfeldern Klärungsbedarf.
Dabei geht es vordergründig um neue Arrangements und um Optimierungen. Gleichzeitig werden immer mehr Warnschilder aufgestellt. „Bis hierhin und nicht weiter.“ Das betrifft das Klima und natürlich das Artensterben aber eigentlich unseren gesamten Existenzbereich.

Es ist zu erwarten, dass in naher Zukunft in allen Bereichen unserer Daseinsvorsorge Stoppschilder aufgestellt werden, und damit wird eine Ratlosigkeit verbunden sein.

Unsere Probleme beschreiben das, was wir als Menschen originär zu verantworten haben. Dabei gibt es ein Innen und ein Außen. Entsprechend dem Betreten einer Stadt durchqueren wir zuerst einen Übergangsbereich zwischen naturräumlichen Bedingungen und dem, was wir selbst geschaffen haben. Zum Inneren der Stadt hin steigert sich dann die Abhängigkeit von Schicksalsentscheidungen der Menschen. Es ist ihre Existenz, die sie hier tatkräftig in ihre Art der Nachhaltigkeit umsetzen.

Im Außen der Stadt berühren wir unsere stammesgeschichtliche Resonanz mit dem Gewordenen. Im Innen der Stadt haben wir aus dieser Resonanz heraus unsere Existenz transformiert. Die Stadt ist eine Metapher für die Anwesenheit des Menschen auf diesem Planeten.

Weit weg ist dort das Mikroplastik in entlegenen Naturräumen. Weit weg das Schmelzen der Pole und des Permafrosts. Da wo die Stadt am städtischsten ist – in uns – sind auch Überschwemmungen und Dürren weit weg und auch Luftverschmutzung und andere Belastungen. Der Primat der transformierten Existenz, in Gestalt unseres neuen Organismus, ist nicht mehr zu verdrängen. Dort wo die Stadt am städtischsten ist, wird diese neue Existenz und dieser neue Organismus wahrscheinlich auch alle Stoppschilder überfahren.

Wieviel Raum nimmt diese neue innere Burg des Menschen auf der Erde ein? Es ist auf jeden Fall eine starke Festung, die sich im Inneren der meisten Menschen befindet. Auch Ausnahmen bestätigen die Regel.

Es wird manchmal von der neuen Schöpfung gesprochen. Dies ist ein passendes Bild. Wir sind in die neue Schöpfung hineingeglitten wie in eine neue Haut, ebenso alternativlos und umfassend. Eventuell trauen wir uns deshalb keine Umkehr zu.

In dieser Situation scheint es richtig, sich um Trennschärfe zu bemühen, um den scharfen Blick auf das, woher wir kommen und dem, was wir daraus gemacht haben. Denn wir sind immer das, woher wir kommen, und wir kommen aus beidem, der stammesgeschichtlichen Resonanz mit dem Gewordenen und unserer, in schließlich zahllosen Schicksalsentscheidungen transformierten Existenz hinein in das immer weiter dominierende Gemachte.

In einer existenztransformierenden Schicksalsentscheidung geht es meistens um Leben und Tod. Wenn wir uns für das Leben entscheiden und ein wenig Tod mit in Kauf nehmen, gehört der Tod zukünftig mit dazu.

Das war wahrscheinlich immer so, aber unsere Handlungsfelder haben sich nach und nach weiter in die Stadt verlagert.

Stellen wir uns folgendes Bild vor: Wir sitzen in einem großen Park. Hin und wieder laufen andere Menschen an uns vorbei oder setzen sich auf nahe Bänke. Dann sind wir wieder allein. Immer wieder wechseln diese Szenen. Am Ende ist es stets erneut der Park, in dessen Präsenz wir uns wiederfinden. Dort wo die Stadt am städtischsten ist, sind so viele Menschen in den Park geströmt, dass deren Gegenwart bestimmend ist. Wenn wir jetzt versuchen, das Beste aus der Situation zu machen, kommen wir nicht umhin, das Beste aus der Präsenz der Menschen und ihrer Aktivitäten zu machen. Die Präsenz des Parks ist in den Hintergrund gerückt. Was hat der Park jetzt mit unserem Leben zu tun? Offensichtlich ist der Park vom Ort unserer empfundenen Lebensqualität weit entfernt.

Es geht um Qualität.
Qualität ist ein Faktor mit einer großen Präsenz.

Gewordenes und Gemachtes – Vergleich der Qualitäten

Gewordenes und Gemachtes als zwei Formenkreise, die sich auf der Erde gegenüber stehen

Die Qualität des Gewordenen im Vergleich zur Qualität des Gemachten

Die Qualität des Gewordenen bringt immer wieder das Gewordene hervor. Hervorgebracht wird das, was dem Gewordenen inhärent ist. Diese Inhärenz geht in einer Genealogie zurück auf die ersten Eigenschaften der Materie nach dem Urknall.

Das Gemachte dagegen hat keine eigentliche Qualität. Qualität ist dort die Qualität innerhalb des Gemachten, die so vielfältig ist, wie es gemachte Formen gibt. Es sind die vielfältigen Verwirklichungen der vielfältigen Intentionen, die die Qualität im Gemachten ausmachen.

Während im Gewordenen seine Inhärenz der Gesamtheit als Qualität in jeder Form abgebildet ist, sind es im Gemachten jeweils eine neue Intention und ein neuer Plan, die die Qualität der einzelnen Form bestimmen.

Die vielfältigen Formen unserer von uns selbst geschaffenen Umgebung auf diesem Planeten sind alle mehr oder weniger in einer Werkstatt- oder Laborsituation entstanden. Auch der Ort, an dem ein Faustkeil entstanden ist, gehört dazu.

Aber auch unsere Erde ist eine „Werkstatt- und Laborbedingung“. Nur haben hier Werkstatt- und Labor kurz nach dem Urknall bereits Gestalt angenommen. Diese Werkstatt- und Laborsituation findet sich nun überall dort wieder, wo zwei Formen des Gewordenen miteinander wechselwirken. Jede Wechselwirkung, die zu einer neuen Bindung mit neuen Eigenschaften führt, findet genau genommen in dieser Werkstatt- und Laborbedingung der ersten Minuten statt.

Mit jeder Wechselwirkung, die zu einer neuen Bindung zwischen zwei Formen des Gewordenen führt, treten neue Eigenschaften des Gewordenen hervor. Diese neuen Bindungen und Eigenschaften sind aber nicht je spezifisch intentional entstanden, sondern sie sind die Konsequenz aus allen vorherigen Wechselwirkungen, Bindungen und neuen Formenbildungen. Sie gehen auf Grundbedingungen zurück, die kurz nach dem Urknall herrschten. Die Materie in ihrer komplexen Ausprägung ist sozusagen eine Genealogie ohne je dazwischen hinzutretende intentionale Subjekte. Wenn es eine Intention geben sollte, dann ist sie der gesamten Genealogie inhärent.

Dies ist bei den Formen des Gemachten grundsätzlich anders. Zusammengesetzte chemische, pharmazeutische und biotechnologische Produkte, sowie Werkzeuge, Apparate, Maschinen usw. entstehen nach einer Intention und einem Plan, eines oder mehrerer Menschen oder einer Computersoftware. Auch alle anderen Gegenstände des Bedarfs entstehen aus einer Intention. Die Qualität der Umsetzung dieser Intention bestimmt die Qualität der gemachten Form.

Alles, sowohl das Gewordene wie das Gemachte, besteht letztlich aus der Materie dieses Universums. Das Gewordene und das Gemachte bilden aber eine unterschiedliche Qualität ab.

Das Gewordene bildet immer wieder als Gesamtheit seine Inhärenz ab, die in einer Art Genealogie auf die Eigenschaften der Materie kurz nach dem Urknall zurückgeht.

Das Gemachte bildet dagegen keine Qualität seiner Gesamtheit ab, sondern besitzt seine Qualität im Gemachten, als die Qualitäten der einzelnen gemachten Formen.

Beide unterschiedlichen Qualitäten schließen sich aus, so scheint es.

 

Gewordenes und Gemachtes – Das Gemachte

Gewordenes und Gemachtes als zwei Formenkreise, die sich auf der Erde gegenüber stehen

Das Gemachte

Im Gegensatz zum Gewordenen besitzt das Gemachte keine einheitliche Qualität und kein einheitliches Bewusstsein. Das Gemachte, das sind die Formen mit einem Innen und einem Außen, die vom Menschen gemacht worden sind.

Hier gibt es grundsätzlich die intentional, also vom Menschen mit einem Vorsatz und einem Plan gemachten Formen selbst und andererseits die Überbleibsel, die Reste, die ungewollten Nebenprodukte, die Verdrängungseffekte, das Gift, den Müll, den die intentional gemachten Formen mit in unsere Lebenswelt gebracht haben.

Es gibt Gemachtes, das fast vollständig aus lediglich manipulierten und fraktionierten Formen des Gewordenen besteht. Das ist z.B. bei den Produkten der chemischen und pharmazeutischen und der Materialindustrie der Fall. Die Biotechnologie gehört auch dazu. Hier ist der Anteil des Gemachten trotzdem sehr hoch, weil die gewordenen Formen, die als Rohstoffe dienen, intentional durch eine gezielte Dissoziation und Rekombination neue Wechselwirkungseigenschaften erhalten, die es so vorher nicht gab und die mit einer Urheberschaft verbunden sind. Die neu geschaffenen Wechselwirkungseigenschaften können auch in der Unterdrückung von Wechselwirkungen bestehen. Bei nur mechanisch wirkenden Nanopartikeln oder Spezialeigenschaften von Oberflächen aber auch bei Pflanzen ist dies der Fall.

Sehr viele Formen unseres von uns neu geschaffenen Kontinents des Gemachten sind zusammengesetzte gemachte Formen. Plakative Archetypen dieser Welt sind Autos und Smartphones aber auch ein modernes Haus oder ein Toaster.

Grundsätzlich ist unsere Welt der Dinge, die hier gemachte Formen genannt werden, beiden Kategorien zugehörig, dem Gewordenen wie Gemachten. Die Einzelteile, z.B. eines zusammengesetzten Apparates, bestehen nicht nur wiederum aus zusammengesetzten Einzelteilen, sondern die Einzelteile selbst wären ohne einen sehr hohen Anteil aus Stoffen der chemischen und Materialindustrie nicht denkbar, welche am Ende natürlich aus Rohstoffen des Gewordenen bestehen. Dies trifft so auch auf den großen Bereich der Nahrungsmittelindustrie zu und genau so auf die Kosmetik- und Bekleidungsindustrie usw.

Der tatsächliche Anteil des Gewordenen im Gemachten ist mit der Zeit immer geringer geworden. Schon grundlegendste Ausgangsstoffe für das Gemachte sind heute so verändert, dass sie nicht mehr als Teil des Gewordenen angesehen werden können.

Unser selbst gemachter Kontinent des Gemachten besteht aus vielfältig verschachtelten und kombinierten menschengemachten Ausgangsstoffen und Einzelteilen. All dies zusammen ist die Welt der gemachten Formen, die immer mehr in den Gegensatz zur Welt der gewordenen Formen, der unbelebten und belebten Materie, geraten ist.

Dies kommt einer Verdrängung gleich. Das Gemachte verdrängt zunehmend das Gewordene. Dies wird auch in den vielfältigen Umweltproblemen sichtbar.

 

Gewordenes und Gemachtes – Qualität des Gewordenen

Gewordenes und Gemachtes als zwei Formenkreise, die sich auf der Erde gegenüber stehen

Die Qualität des Gewordenen

Innerhalb des Gewordenen scheint es keine Instanz, außer der Qualität des Gewordenen, zu geben. In den Formen des Gewordenen sind Bewusstsein und Wechselwirkung kongruent, ohne trennende weitere Instanz. Dies beschreibt das Gewordene bis hin zum Menschen, in seinen physiologischen und autonomen Funktionen.

Sich einen Fokus vorzustellen ist ein möglicher Zugang zur Besonderheit dieser Kongruenz von Bewusstsein und Wechselwirkung. Der Fokus bestünde nicht aus Licht, weil das Licht mit zu dem gehört, was in diesen Fokus kommt. Dieser Fokus ist ein Qualitätsfokus. Er fokussiert eine Qualität der Einheitlichkeit. Das Merkmal dieses Fokus ist, dass er wieder diese Einheitlichkeit und diesen Fokus hervorbringt. Dies aber an einem anderen Ort zu einer anderen Zeit. Die Qualität des Fokus bleibt jedoch immer gleich, d.h., er bringt immer wieder diese Qualität hervor. Er hat eine gleichbleibende Qualität. Er ist ein dislokaler, an jedem Ort gleichzeitig wirkender Qualitätsfokus ohne auszumachende Herkunft.

Zu den Formen des Gewordenen kann man mit Sicherheit folgendes sagen: Es gibt erstens ein Woher, zweitens ein Miteinander in Einheit und drittens eine sich manifestierende Qualität, die die Identität des neu Hervorgebrachten in der Wechselwirkung mit der Gesamtheit des Gewordenen erhält. Die gleichbleibende, überall vorfindbare, gleichbleibende Identität der gewordenen Formen ist die einer Qualität, aus der heraus die Formen in der Lage sind, diese Qualität erneut hervorzubringen.

Jede Form der gewordenen Materie, einschließlich der Formen der Biosphäre, befinden sich in dieser Qualität.  Jede Form des Gewordenen ist erstens aus einer Herkunft, zweitens in Gemeinschaft mit den Formen, die mit ihr aus dem Gewordenen hervorgegangen sind und drittens „als das alles“.

Eine Qualität, die sich überall wiederfindet, verweist auf einen Weg der Weitergabe von Informationen und zweitens auf eine Art Vernetzung dieser Informationen. Auch dies kann man in diesem Sinn Bewusstsein nennen. Aber die eigentliche Legitimation zum Gebrauch des Begriffs „Bewusstsein“ bezieht sich auf die Wechselwirkung der gewordenen Formen der Materie, die die Bindung der Formen untereinander mit einschließt. Eine gewordene Form „weiß“ an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit wie sie wechselwirken soll.

In diesem Sinne ist hier die Verwendung des Begriffs „Bewusstsein“ zu verstehen. Denn in den Wechselwirkungen vollzieht sich der spezifische eigene Charakter der Materie dieses Universums. Dieser Charakter könnte in einem anderen Universum ein denkbar anderes Profil haben. Das spezielle Profil von Naturkonstanten, mit dem genau unsere Materie in unserem Universum immer wieder neu hervortritt, ist tatsächlich bemerkenswert. Es ist eine Materie, die prädestiniert ist zur raschen Hervorbringung von Formenvielfalt.

Die besondere Qualität des Gewordenen, die sich in 13,8 Milliarden Jahren immer wieder selbst hervorgebracht hat, verweist sowohl auf eine homogene Informationsbasis wie auch auf ein homogenes Bewusstsein. Qualität, Information und Bewusstsein scheinen hier zusammen zu gehören.

Gewordenes und Gemachtes – Das Gewordene

Gewordenes und Gemachtes als zwei Formenkreise, die sich auf der Erde gegenüber stehen

Das Gewordene

Die Grundbeschreibung des Gegeneinanders des Gewordenen und des Gemachten ist die Grundbeschreibung aktueller Probleme. Wir berühren dabei die Kosmologie, und etwas, was man Qualität nennen kann.

Die Formen des Gewordenen zeigen eine besondere Qualität, die vermuten lässt, dass diese selber im Zentrum des Gewordenen steht. Diese Qualität finden wir nicht in den Formen des Gemachten.

Die besondere Qualität des Gewordenen zeigt sich darin, dass es wieder Gewordenes hervorbringt. Die Materie- und Lebensformen des Gewordenen bilden das Gewordene so aus, dass man sowohl vom Erhalt, wie von der Orientierung an einer zentralen Qualität sprechen kann.

Das Gewordene ist eine Gesamtheit, die sich aus sich selbst heraus entwickelt. Dies ist in den einzelnen Entwicklungsschritten ohne neue intentional wirkende Instanz geschehen. In dieser Entwicklung sind die einzelnen Glieder „kompatibel“ zueinander geblieben. Soweit wir es überblicken können, fand und findet die Entwicklung des Gewordenen innerhalb eines stabilen Sets von Eigenschaften und Bedingungen statt. Die Naturkonstanten veränderten sich nicht. Außerdem sind die Bestandteile des Gewordenen identisch geblieben, wie in einem Baukastensystem, mit dem man etwas aufbauen, wieder auseinanderbauen und erneut etwas anderes aufbauen kann. Im Verlauf des zunehmend komplexeren Aufbaus haben sich die Bestandteile also nicht derart verändert, dass sie einzeln nicht mehr in derselben Weise wechselwirkten wie vor der Synthese zu mehr Komplexität. Man kann sagen, dass, auch über die Rekombination der Bestandteile hinweg, diese dieselben bleiben.

Andererseits hat sich das Gewordene im Verlauf seiner Existenz dramatisch verändert. Wir sprechen von einer Zeit seit dem Urknall bis heute. Das sind wahrscheinlich etwa 13,8 Milliarden Jahre. Im Verlauf dieser Zeit haben sich verschiedene Wechselwirkungshorizonte ausgebildet. Das sind die der Elementarteilchen und Atome und die je chemischen und biologischen Wechselwirkungshorizonte.

Als eine Vereinfachung lässt sich feststellen, dass sich die Orte des Gewordenen verändert haben, das Gewordene als solches aber gleichgeblieben ist.

Das, was das Gewordene eben zum „Gewordenen“ macht, sind die neuen Orte, die es hervorgebracht hat und weiter hervorbringt, die sich weiterhin in der Identität des Gewordenen befinden und Gewordenes hervorbringen. Von diesen neuen Orten aus wird das Gewordene nicht in Frage gestellt. Es bleibt mit jeder weiteren Hervorbringung das Gewordene, das eben Gewordenes hervorbringt. Diese Abfolge, man kann auch sagen diese Identität, wurde, soviel wir wissen, nie durchbrochen bis zu dem Zeitpunkt als auf diesem Planeten das Menschengemachte das Gewordene substantiell veränderte.

Ein Ort des Gewordenen ist typischerweise eine Form. Das Gewordene hat verschiedene Formen der unbelebten und belebten Materie ausgebildet. Eine Form hat immer ein Innen und ein Außen. Nach außen wechselwirkt die Form, im Innen befindet sich ihr Bewusstsein, ihr Wissen um sich selbst. Anders kann man die stabile Identität der gewordenen Formen nicht herleiten. Dieses Wissen ist jedoch dislokal, sein originärer Ort ist nicht die einzelne Form.

Das Gewordene hat immer wieder das Gewordene hervorgebracht. Dass es sich dabei nicht grundsätzlich verändert hat, ist eine bemerkenswerte Feststellung. Dass das Gewordene sich dabei aus sich selbst hervorgebracht hat, ist als Zweites bemerkenswert. Das Gewordene war und ist während dieser Prozesse der Synthese, Dissoziation und Rekombination seine eigene Instanz.

Da ist etwas gleichgeblieben. Das sollten wir, vielleicht sogar in Anerkennung, feststellen. Denn das, was gleichgeblieben ist, ist eine besondere Qualität. Das Gewordene scheint inhärent diese Instanz und Qualität zu sein. Deshalb verdient das Gewordene als die Qualität, die es in dieser Weise ist, eine besondere Aufmerksamkeit.

Gewordenes und Gemachtes – Einleitung

Gewordenes und Gemachtes als zwei Formenkreise, die sich auf der Erde gegenüber stehen

Einleitung


„Gewordenes und Gemachtes“, das ist vereinfachend die Gegenüberstellung der Natur gegen den Rest. Begrifflich treffen wir dabei auf erhebliche Schwierigkeiten in diesem Gegen- und Miteinander der zwei Hauptkategorien unserer Lebensumgebung. Doch  in dieser Gegenüberstellung sind alle aktuellen Aufgaben enthalten, deren Bewältigung wir uns als globale Gemeinschaft im Moment vornehmen. Die Gegenüberstellung des „Gewordenen“ und des „Gemachten“ ist der Versuch einer Konzeptualisierung. Es geht um die Erarbeitung eines Blickwinkels auf einerseits das, was uns mitgegeben ist und andererseits auf das, was wir daraus gemacht haben.

Wenn wir als Menschen unsere Welt beschreiben, beschreiben wir vermehrt Problemfelder, die um unsere natürlichen Ressourcen kreisen. Die entsprechenden Begriffe sind Teil von Diskursen, in denen es um gesamtmenschliche Existenzprobleme geht. Andererseits schwärmen wir glücklich über die Geschenke der Natur um uns. Die Natur ist etwas Besonderes auch über alle Ambivalenzen und Begriffsunklarheiten hinweg. Sie ist als Heil- und Sehnsuchtsort für uns mit einer bestimmten Qualität verbunden, die uns unmittelbar anspricht und gewiss erscheint. Was die Natur aber eigentlich ist, wo sie anfängt und wo sie aufhört, ist weniger klar zu benennen. Schon der Begriff „Natur“ wurde und wird sehr verschieden verwendet. Außerdem ist die Natur integraler Bestandteil unserer Technologien geworden und als solche nur noch schwer zu identifizieren. Hinzu kommt, dass wir uns vor ihr schützen. Wir bringen sie unter Kontrolle, dort wo sie zur intimen Existenzzone des Menschen gehört, in Stadt, Land, Garten, Fluss, Küste und Bergen. Alles das hat unser Verhältnis zur „Natur“, aber auch die Natur selbst sehr verändert.

In der Aktivität der vielen umweltengagierten Gruppierungen und der hohen Priorität der entsprechenden Themen in der Öffentlichkeit spiegelt sich ein Selbstklärungsprozess. Auch wenn vordergründig bestimmte Lösungen vertreten werden und dafür gekämpft wird, findet doch in erster Linie vorerst eine Standortbestimmung statt. Wo stehen wir mit unserer selbsterschaffenen Welt den natürlichen Ressourcen gegenüber?

Hier in diesem und weiteren Texten zum Thema wird vorgeschlagen, die Standortbestimmung versuchsweise entlang des Gegensatzpaars geworden/gemacht vorzunehmen. Die aus sich selbst, in einer langen Entwicklung,  hervorgegangenen natürlichen Ressourcen werden als das GEWORDENE, die menschengemachte Welt als das GEMACHTE bezeichnet.

Das Leben der Menschen auf diesem Planeten ist das der einzelnen Personen, der sozialen und politischen Gruppierungen und vor allem der Wirtschaftsakteure. In vielfachen Rollen- und Interessenüberschneidungen hat sich eine Dichte von Dynamiken entwickelt, die kaum noch zu entwirren, geschweige denn zu lenken ist. Diejenigen, die das versuchen oder daran teilhaben wollen, geben vermehrt hohe Wertvorstellungen in Lösungsansätze und hoffen, dass die Qualität, die sie damit heraufbeschwören, sich manifestieren würde. Dabei wird mit Visionen gearbeitet, die das Leben Einzelner und von ganzen Gruppen rückanbinden an Vorstellungen einer grundsätzlichen Lebensqualität. Gleichzeitig herrscht die Meinung vor, dass ein Zurück nicht mehr möglich ist.

Hier scheint es angebracht, den Blick zu schärfen. Im Raum stehen viele Fragen und der Diskurs darüber ist so alt wie es diese Fragen gibt. Was ist eine grundsätzliche Lebensqualität, die uns als Menschen zur Verfügung stünde? Wo käme diese eigentlich her? Und haben die Menschen diese grundsätzliche Lebensqualität mit ihrer Präsenz auf diesem Planeten eventuell schon verspielt?

Doch dies sind alles akademische und visionäre, zugleich auch religiöse Fragen, die im Existenzkampf der Menschen tatsächlich immer weniger faktische Kraft besitzen. Denn die Existenz der meisten Menschen vollzieht sich jenseits ideeller Leitlinien an dem Ort, an dem es schlicht irgendwie immer weiter gehen muss,  mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen oder so zu stehen scheinen.

In dieser Weise schwebt unsere Existenz über zwei Kontinenten. Es ist einmal der Kontinent der gewordenen und gewachsenen Formen dieses Planeten, die da waren bevor der Mensch auftrat und die immer noch maßgeblich unser Leben bestimmen und erhalten. Und es ist zum anderen der dicht bebaute und befüllte Kontinent der vom Menschen geschaffenen Dinge. Wir haben technologisch Spuren auf diesem Planeten hinterlassen und ihn befüllt mit Dingen, deren wir eigentlich nicht Herr und Frau sind. Sie entsprangen unserem Wunsch nach Herrschaft, begleiteten uns eine Zeit lang als Instrumente unserer Selbstermächtigung und entziehen sich uns nun zusehends. Müll, Gift, selbstgemachtes Klima und Krankheiten haben wir nicht wirklich unter Kontrolle.

Die Plattentektonik dieser zwei Kontinente unserer Existenz hat nun dramatische Veränderungen hervorgebracht. Der Kontinent des vom Menschen Gemachten hat sich über den Kontinent des Gewordenen hinweg geschoben. Es ist zu vielfältigen Verwerfungen gekommen, zur Bildung von Gebirgen und Sonderzonen und zu isolierten Naturreservaten.

Das Gewordene kann nun in ausgewiesenen Zonen besichtigt werden. Unser Bewusstsein ist jedoch schon längst nicht mehr im Gewordenen verankert, weder im Empfinden der Herkunft, noch im Miteinander mit dem Gewordenen und schon gar nicht beim Begreifen unserer Welt. Dabei ist der Zugriff der Technologie auf das Gewordene nicht nur selbstverständlich, sondern notwendig geworden. Es geht hier um eine Art Alternativlosigkeit, die uns selbst auch, als gewordene Wesen, längst vereinnahmt und uns in unserem Denken ganz bestimmt.

Dazu gehört in Medizin und Biologie der Zugriff auf zentralste Lebensfunktionen. Gerade dort wird deutlich,  wir verstehen technologisch wie die natürlichen Ressourcen instrumentalisierbar sind, haben aber nur einen eingeschränkten Zugang zu ihrer Qualität.

Für uns ist der Kontinent des Gemachten maßgeblich, und auf diesem stehen die Dinge in einer Funktionsbeziehung zueinander. Und weil sich dieser Kontinent über den Kontinent des Gewordenen geschoben hat, werden die Formen des Gewordenen in erster Linie ebenfalls als in einer Funktionsbeziehung begriffen.

Musik – Texte – Pythagologkonzept

Das pythagolog-Konzept zur frei improvisierten Neuen Musik

pythagolog
Pythagoras, früher bedeutender Philosoph der griechisch geprägten Antike,
geboren auf der griechischen Insel Samos um 570 v. Chr., gestorben nach 510 v. Chr. im süditalienischen Metapont
log, logo (griechisch) für Wort, Rede, Rechnung, Vernunft, Verhältnis

Vorbemerkungen

Der Name Pythagoras steht für die Verbindung der Konzepte Diesseitigkeit und Jenseitigkeit. In der Musik kann er dafür stehen, das eine aus dem anderen zu begreifen. Über die Einfühlung in das Pythagoreische klären wir sowohl als Musizierender wie als Hörer den Ort in uns, aus dem wir hörend empfinden. Die Empfindung geht über die Wahrnehmung von Attributärem hinaus und führt uns in ein gestalthaft Substantielles hinein. Das Pythagoreische ist das Selbstbild, in dem die Empfindung einer musikalischen Gestalt über die Basisarbeit unseres neurobiologischen Apparates hinaus geht. Eine resonierende, schwingende, klingende musikalische Gestalt ist das Zusammenwirken verschiedener Dimensionen, die sich bei näherem Hinsehen in Einheit befinden. Kraftvolle, nährende Klanggestalten sind ein Spiegel des Einheitscharakters des Seins selbst.

Mit der heutigen Teilchenphysik und Kosmologie haben wir eine Schablone erhalten, die uns klar macht, welche Welten Pythagoras in seiner Philosophie vereint haben mag. Genau kennen wir seine Philosophie allerdings nicht. Selbst sein berühmter Satz ist wahrscheinlich nicht von ihm. Die harmonikalen Studien und das Monochord bringen uns nahe an ihn heran. Nur seine geistige Größe erklären sie nicht.

Für Pythagoras bilden in der Schöpfung das Wissen (also die Potenz zu erschaffen – heute würde man Information sagen) und das Geschaffene eine Einheit – mehr noch: eine klingende Einheit. Genau so begegnen wir im aktuellen physikalischen Weltbild dem was klingt oder anders ausgedrückt, dem was jeweils aus seiner Eigenschwingung heraus mit seiner Umgebung resoniert. Physikalisch existent sein, heißt eine Eigenschwingung zu besitzen, eine Potenz zu sich selbst ständig zu erneuern. Wenn dasjenige, welches physikalisch existiert, dauerhaft existiert, dann besitzt es in dieser Weise eine Ausdehnung in Raum und Zeit. Ein Klang und ein Lebewesen sind jeweils eine wiederholte Selbstvergewisserung in einem Existenzmedium, d.h. in einem Schwingungsmedium. Das Schwingungsmedium ist die Raumzeit. Die Selbstvergewisserung findet sowohl in Raum und Zeit statt.

Was bedeutet dann in diesem Zusammenhang die Frequenz, also die Wiederholung der Amplitude pro Sekunde? Und scheint es eine Existenz vor der Eigenresonanz zu geben, wie es die Quantenphysik andeutet? Pythagoras scheint bei aller geistigen Größe und Autorität ein bodenständiger Mann gewesen zu sein. Es ging ihm gerade darum, diesseitiges und jenseitiges in Einklang zu bringen. Deswegen auch sein Interesse an Politik.

Kurz ist die Aufmerksamkeit. Wenn sie entschwindet existiert sie jedoch weiter – bis sie erneut in Erscheinung tritt. Die Aufmerksamkeit ist ein Mitschwingen. Gewöhnlicher Weise geschieht dies sehr vielfältig in unserem Leben. Das eigene Leben als eine große Schwingungsgestalt zu erfassen, die in einer maximalen Eigenfrequenz optimal Diesseitigkeit und Jenseitigkeit in Einklang bringt, das war vielleicht das Ideal, um welches es in der Schule des Pythagoras ging.

Hörhilfe:

Während in den Dromos-Stücken die Raum- und Zeit-Dimension und die wechselnden Polaritäten deutlich gezeichnet sind, sollen diese in den Pythagolog-Stücken in immer wieder annähernd einer Gestalt aufgehen. Raum und Zeit und Dies- wie Jenseitigkeit sollen sich prozesshaft wiederholt im Erleben verdichten. Dies erscheint jeweils als eine größtmögliche Intensität. Ein gelegentlicher Anflug von Ironie, der die Verdichtungen jeweils wieder durchbricht kommt nicht von ungefähr. Bei der Umsetzung seiner politischen Idealvorstellungen erwies sich auch für Pythagoras die Raumzeit als ein schwieriges Terrain, wenn sie denn mit Menschen bevölkert ist.

Musik – Texte – Dromoskonzept

Das Dromos-Konzept zur frei improvisierten Neuen Musik

dromos (griechisch) „der Weg, „der Lauf“
Das dromos-Konzept ist ein eigenes musikphilosophisches Konzept, das aus meinen philosophischen Konzepten „Dreieinigkeit“ und „Gewordenes versus Gemachtes“ hervorgegangen ist.

Platonische Philosophie

Es ist nicht die musikalische Form, die innen entsteht, sondern die Form ist das Vorhandene. Die musikalische Form ist in erster Linie die Form des menschlichen Körpers und des Musikinstruments. Das, welches zum zeitlichen Verlauf der Musik führt, ist die Bewegung in der Form, mit der Form in Verschmelzung als die Form.

Die Bewusstheit, die sich in der Form wach empfindet und den zeitlichen Verlauf der Musik verursacht, ist nicht die Form. Die Bewusstheit ist eine andere Sphäre. Sie empfindet sich in den Formen. Das sind der Körper und das Musikinstrument. Die Bewusstheit des die Musik Erschaffenden, auch die des Hörers, führt im musikalischen Verlauf zu einer Verhältnismäßigkeit zu den Formen. Diese Verhältnismäßigkeit formt die Formen als Formen, aber die formende Bewusstheit ist dabei selber keine Form und sie ist mit der Formhaftigkeit als solcher auch nicht im Einklang.

Das „sich in ein Verhältnis zu den Formen setzen“ der Bewusstheit weist über die Formen hinaus. Das ist das Ziel der Bewusstheit. Formen, die über die Formen hinausweisen, sind das Spezifische des musikalischen Prozesses.

Konsequenzen für das Musikerleben

Das über sich Hinausweisende ist das Eigentliche der Musik und konstituiert ihr rauschhaftes Erleben. Die physikalische Form eines Klanges wird erst dadurch geistig attraktiv, jenseits von Analyse und Verstand. Das ist so bei den Volks- und Popmusiken, in der Klassik, der Neuen Musik und im Jazz usw. Gerade auch das Geräuschhafte in der Experimentellen und Neuen Musik ist für das hörende Bewusstsein Musik durch seine erlebte Verhältnismäßigkeit zur physikalischen Form, die über die physikalische Form hinausweist und damit zum Klang und zur Musik werden kann, vorausgesetzt die Attraktivität des Klanges und die geistige Sensitivität des Hörers finden zusammen.

Das geistige Interesse des Bewusstseins vereint sich dabei mit dem über die musikalische Form Hinausweisenden jenseits von Analyse und Verstand. Analyse und Verstand schaffen in der Kunstmusik aber oft erst das Bewusstsein, dem eine musikalische Form attraktiv wird. Das geschieht im musikalischen Bereich wie in der bildenden Kunst. Das zum Verstehen hingelenkte Bewusstsein erlebt eine Einheit mit dem Kunstwerk, die als persönlich bereichernd empfunden wird. Dies geschieht immer dann, wenn sich das Bewusstsein in seiner persönlichen Verhältnismäßigkeit zur Form des Kunstwerks als wach und gegenwärtig erlebt.

Eine zweite Konsequenz des über sich Hinausweisenden der Musik ist ihr Fortschreitungscharakter. Eine über sich hinausweisende Form führt zu einer weiteren Form, bzw. zu einem weiteren Erleben. In der Musik erlebt das Bewusstsein immer wieder etwas Neues. Ein Erleben führt zum weiteren Erleben. Eine Sonderform ist die Vertiefung des Erlebens in der meditativen Musik.

Das dromos-Konzept

Ein frei improvisiertes Musizieren befindet sich direkt im gegenwärtigen wachen Musikerleben, also im Erleben des über die musikalische Form Hinausweisenden. Im Wechselspiel mit den eben selbst erschaffenen musikalischen Formen ist dies ein sinnliches, emotionales und geistiges Erleben in Einem. Das wache gegenwärtige Musikerleben während des frei improvisierten Musizierens führt so zur Verschmelzung der sinnlichen, emotionalen und geistigen Sphäre. Dies ist jedoch ein inneres Erleben, dem Rezipienten nicht direkt zugänglich und vielleicht auch nicht einmal nachvollziehbar.

Bei Jazzkennern gibt es das Phänomen, dass sie oft schon nach wenigen Takten den Solisten benennen können. Jazzfernere Menschen registrieren diese Fähigkeit in großem Erstaunen. Für Jazzliebhaber spricht der Name des Solisten bzw. seine Gedächtniskennung direkt als Subinformation aus den Takten. Die Erkennungsleistung ist in den meisten Fällen keine Analyse-, sondern eine Intuitionsleistung. Der Verlauf der Musik der wenigen gehörten Takte verweist auf ein Zentrum, und dieses Zentrum ist die Person des Instrumentalisten. Natürlich geht es auch um das Erkennen von Spielweise und Intonation, aber die erlebte plötzliche Nähe der Person des Jazzsolisten greift auf tiefere Informationen zurück. Wir sind als Menschen mit außerordentlichen empathischen Fähigkeiten ausgestattet. Im Experiment reichen nur wenige Lichtpunkte als Markierungen für Mimik und Gestik aus, um eine menschliche Persönlichkeit dahinter zu erkennen. Nun gehen die Fähigkeiten des menschlichen Gehörsinns weit über die Fähigkeiten seines Sehverarbeitungsvermögens hinaus. Wir sind als Menschen dazu ausgestattet, uns die Welt zu erhören und hörend zu verstehen. Dies sind alles Leistungen, die die Basis für das Musikerleben bilden.

Frei improvisierte Musik kann ganz besonders auf musikalisch grundsätzliche, menschliche Merkmale verweisen, die als Zentrum hinter einer solistischen Gestaltbildung stehen. Der Zugang zu einer menschlichen Dimension, die dort liegt, wo die Musik über sich selbst hinaus verweist, ist so auch über ein stilistisch schwieriges Terrain hinweg möglich. Dabei die Paarung eines individualisierenden Solisten mit seinem Instrument ins Zentrum zu stellen ist naheliegend, entspricht aber nicht den Tendenzen der Neuen Musik, die gerade die vielfältigen kulturellen Gebundenheiten der Musikausübenden überwinden möchte. Solistisch frei improvisierte Neue Musik erscheint in diesem Licht als Widerspruch in sich. Zumal in den Kanon der Neuen Musik auch nur diejenigen Werke Eingang finden, die in verschriftlichter Form vorliegen.

Mich reizt es in diesem Spannungsfeld zu arbeiten und bisher eher unbeachtete Möglichkeiten des inspirierten Musikschaffens zu explorieren.

In meiner Auffassung befinden sich eine freie solistische – also individualisierende – Improvisation und Neue Musik am selben Ausgangspunkt. Der freie Solist mit seinem Instrument individualisiert sich hinaus aus den Formen entsprechend des Horizontes der Neuen Musik. Was bleibt ist ein individueller Wesenskern in der Dimension, auf die die musikalische Form über sich selbst hinaus verweist. In der jetzigen Situation der Neuen Musik ist dies eine Bereicherung für sie.

Die frei improvisierende Neue Musik nimmt eine Qualität des Bewusstsein für den Spieler in Anspruch, wie sie in der Regel nur für den Komponisten der Neuen Musik zugestanden besteht. Die Neue Musik hat ein bewusst gebrochenes Verhältnis zum individuellen Bewusstsein. Dies lässt sich auf ihre Ausgangssituation nach dem Zweiten Weltkrieg zurückführen. Der bewusst entscheidende, weil individuell frei erlebende Musiker taucht zwar in den Spielanweisungen häufig auf, aber fast immer ist es, gerade durch die Spielanweisungen, ein in einem fragmentierten Kontext kontrolliertes Bewusstsein. Wie könnte dies in einer verschriftlichten Komposition mit einem persönlichen Urheber auch anders sein.

Dagegen individualisiert sich der frei improvisierende Solist aus den Formen hinaus, weil es sein Bewusstsein ist, das dies unvermeidbar erlebt. Eine frei improvisierte Neue Musik setzt allerdings so notwendig eben dieses Bewusstsein voraus, ein Bewusstsein, das sich in seiner Verhältnismäßigkeit zur Form als wach und gegenwärtig erlebt. Je wacher und gegenwärtiger sich ein Bewusstsein in den Formen erlebt, um so eindeutiger geschieht dies in der dem Bewusstsein eigenen Dimension. Das musikalische Ergebnis bleibt selbstverständlich immer formverhaftet, weil es die physikalischen Formen sind, die klingen und nicht das Bewusstsein. Dies schließt nicht aus, dass ein musikalischer Kontext auch durch Stille gerade diejenige Bewusstseinsdimension erzeugt, auf die die Formen letztendlich für den musizierenden oder Musik rezipierenden Menschen hin verweisen.

Hörhilfe:
In den Dromos-Stücken verdeutlicht sich ein Wechsel zwischen musikalischer Form und der Neigung des Bewusstseins, jenseits dieser Form seiner heimatlichen Dimension zuzustreben. Das Bewusstsein ist das des Spielers, das sich in der musikalischen Form wach und gegenwärtig empfindet (also nicht tranceartig verschmolzen ist mit der Form). In dieser Situation weisen die musikalischen Formen über sich hinaus. Die dem Bewusstsein eigene Dimension klingt jedoch nicht, so dass der musikalische Verlauf immer wieder eine neue oder leicht veränderte Form entwickelt, die auch wieder über sich hinaus verweist usw.
Dieser Wechsel findet notwendigerweise bei jeder freien Improvisation statt. Die Dromos-Stücke wollen so angelegt sein, dass dieser Vorgang hörend rezipiert werden kann.

Musik – Texte – Legitimation

Kunst und die Suche nach der Legitimation von Warum-Fragen und -Antworten gehören zusammen.

Die Frage nach Kunst ist die Frage der Legitimität der Kunst bzw. derer Inhalte oder Gegenstände. Am Inhalt oder an den Gegenständen der Kunst entzündet sich die Frage, „ob das Kunst ist“, also einen schöpferischen Wert hat. Ein schöpferischer Wert ist etwas anderes als ein zerstörerischer, beschreibender oder beleidigender Wert. Trotzdem kann ein Kunstwerk auch über seinen eventuellen zerstörerischen, beschreibenden oder beleidigenden Charakter hinaus einen schöpferischen Wert enthalten. Mitunter ist der spezifische schöpferische Gehalt eines Kunstwerks sogar nur durch Mittel z.B. der Zerstörung, der Beschreibung oder Beleidigung zu erhalten.
Die Frage nach der Legitimität von Kunst ist die Frage nach der Legitimation von Kunst. Legitimität ist nur dann hergestellt, wenn vorher eine Legitimation möglich war. Die Beantwortung der Frage nach der Legitimation kann so mit der Frage nach der Bedingung der Legitimation abgekürzt werden.
Ein Gegenstand oder ein Inhalt wird entweder durch die Beantwortung von Wie- oder von Warum-Fragen legitimiert. Legitimationen sind immer Zuordnungen zu einem Kontext. Dies kann, wie an einem anderen Ort bereits dargestellt, nur durch die Beantwortung von Wie-Fragen geschehen. Warum-Fragen und -Antworten sind zur Zuordnung zu Kontexten nicht geeignet.
Die Kunst ist nun ein Bereich, in dem durch ein schöpferisches Werk eine Bewusstseinsqualität entstanden ist, die nicht durch eine Wie-Frage zu einem Kontext zugeordnet werden kann. Eine Bewusstseinsqualität, die durch eine Wie-Frage keinen Kontext erhält, legitimiert sich dadurch als Kunst. Die Bewusstseinsqualität der Kunst ist, wenn es denn Subjekte gibt, die sich trotz unbeantworteter Wie-Fragen als persönlich kontextualisiert empfinden, als reine Gemeinschaftsqualität legitimiert.
Kunst hat in jedem Fall ein Gegenüber und eine Gemeinschaft und ebenso ein Vorher und ein Nachher. Raum und Zeit bei gleichzeitiger Abwesenheit eines beschreibbaren Wie-Kontextes sind so der menschliche Ort der Bewusstseinsqualität, die wir Kunst nennen. Dies schließt natürlich nicht aus, dass Aspekte der Inhalte und Gegenstände der Kunst nicht auch aus Wie-Kontexten, z.B. aus handwerklichen Kontexten, heraus beschrieben werden können.
Auf diese Weise ist Kunst eine Bewusstseinsqualität, die Warum-Fragen und -Antworten eine Legitimation in Form von Zeugnissen zuordnet. Oder anders ausgedrückt: Kunst und die Suche nach der Legitimation von Warum-Fragen und -Antworten gehören zusammen.